Selen und Hufrehe

Das Spurenelement Selen bei Pferden und seine Bedeutung bei Hufrehe

Meine ersten negativen Erfahrungen mit Selen machte ich bereits in den 90-er Jahren, nämlich da, als meine eigenen Pferde unter einer Selenvergiftung litten, die sich u. a. in einer Entzündung des Kronrandes zeigte. Das ist lange her und damals ging man noch davon aus, dass ein Selenwert von 100 bereits eine Selenvergiftung anzeigt.

Heute hat sich das Selen Bild in unserer Gesellschaft stark geändert. Die Normwerte bei Pferden wurden extrem hoch angesetzt und obwohl die Futtermittelhersteller weiterhin ihr Selen im Futter und Ergänzungsfutter als unabdingbar und gesund anpreisen, gibt es inzwischen viele Stimmen gegen eine – synthetische – Selenfütterung bei Pferden.

Daher habe ich mich einmal näher mit dem Thema Selen bei Pferden und den Gefahren beschäftigt

Vorweg sei gesagt, dass in meiner Praxis fast jeder Pferdehalter mit einem Blutbild kommt, indem Selenmangel diagnostiziert wird und fast jeder Pferdehalter ein entsprechendes Selenpülverchen vom Tierarzt verordnet bekommt. Dies ist nach wie vor gängige Praxis und ein Abnehmen dieser Praxis ist keineswegs absehbar, im Gegenteil, festgestellte Selenmängel bei Pferden nehmen zu!

Die Erklärung für den allgemeinen Selenmangel unserer Pferde findet man in der These, dass unsere Böden insgesamt Selen arm sind und hierdurch die Unterversorgung bei Pferden verursacht wird. Diese Erklärung wurde Anfang 2000 gefunden und seither werden daher sämtlichen Futtermitteln und Ergänzungsfuttermitteln verstärkt Selen  zugesetzt (zugesetzt wurde Selen schon immer, jedoch nicht in dieser Menge..). Seit ca. 2003 werden auch Düngemittel mit Selen angereichert, um die Böden selenhaltiger zu machen. Kurzum: Selen kann theoretisch eigentlich gar nicht mehr im Mangel sein, da es inzwischen überall zugesetzt wird. Auch die Böden können inzwischen nicht mehr Selen arm sein, da sie seit Jahren Selen zugesetzt bekommen!

Wozu brauchen Pferde überhaupt Selen?

Selen ist ein wichtiger Bestandteil unserer Nahrung, der zur Synthese einer Reihe von Proteinen benötigt wird. Viele davon arbeiten als Enzyme und haben direkten Einfluss auf die Gesundheit. Selen ist ein Spurenelement, das auch als Radikalfänger bezeichnet wird. Selen bindet Schwermetalle, die somit unschädlich gemacht werden.

Pflanzen enthalten natürlicherweise wenig Selen. So nahmen Pferde vor Domestikation grundsätzlich wenig Selen in den Gräsern auf. Irgendein schlauer Mensch kam jedoch irgendwann einmal darauf, dass Pferde einen bestimmten Normwert Selen im Blut aufweisen müssen, da sie eine bestimmte Menge Selen für ihre Gesundheit benötigen (wie halt mit den anderen Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen auch..).

Mit dieser These kam dann eines in die Pferdegesellschaft: Ein überall festgestellter Selenmangel, da Pferde von Natur aus eben gerade diese Normwerte nicht aufweisen!

So kommt es, dass schätzungsweise 95 % aller Pferde im Blutbild einen Selenmangel aufweisen.

Da es – wie immer – keine wirklich zuverlässigen Zahlen über Normwerte bei Pferden gibt, hat natürlich auch jedes Labor seine eigenen Normwerte. Diese schwanken, man lasse sich dieses einmal auf der „Zunge zergehen“, denn es handelt sich ja bekanntermaßen um ein Spurenelement, das heißt, Spuren zu viel können bereits zur Vergiftung führen, zwischen 28 – 250 μg/l. So manches Labor setzt den Normwert gar bis auf 300 μg/l.

Ist das nicht der pure Wahnsinn?
Ich meine schon!

Dabei haben verschiedenste Untersuchungen schon längst gezeigt, dass der Selenwert im Plasma überhaupt nichts zu tun hat mit den Selenwerten im Gewebe. Eine große Anzahl von Studien kommt zu dem Schluss, dass der Selenwert im Plasma nicht für die Diagnose der Selenversorgung herangezogen werden kann, weil er als erstes sinkt und als letztes steigt. Das Pferd kann im Blutplasma längst im „Mangel“ sein, in den Geweben, in denen das Selen benötigt wird, aber deutlich im Überschuss. Dennoch wird bei „Selenmangel“ im Blutbild natürlich sofort ein Selenpräparat verordnet.

Ein Selenmangel im Blutbild zeigt uns aber eigentlich nur an, dass der Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht geraten ist, da Selen mit vielen weiteren Spurenelementen und Mineralstoffen im Stoffwechsel „konkurriert“, insbesondere aber mit Zink.

Diese ganze Problematik hat dazu geführt, dass Pferde heute in den meisten Fällen viel zu viel Selen zugefüttert bekommen – über Müslis, Pellets, Mineralfutter und diverse Futterergänzungsmittel und natürlich auch über Gras und Heu.

Die unreflektierte Fütterung jedoch ist kritisch: Denn während Pferde, die wirklich einen Mangel haben (wer weiß das aber letztlich schon…) von einer Fütterung profitieren könnten, nehmen andere mit adäquaten oder erhöhten Selenspiegeln durch die Zufuhr der gleichen Menge Selen Schaden.

Da synthetische Substanzen bei Pferden eh kritisch zu betrachten sind, insbesondere natürlich Spurenelemente wie Selen, würde ich dafür plädieren, Selen grundsätzlich in natürlicher Form zu füttern. Der Pferdeorganismus verstoffwechselt natürliches Selen einfach besser und es benötigt bei einer natürlichen Selenversorgung, beispielsweise durch Horse Allround Kräuter-Fit nicht dieser hohen Mengen an Selen. Bei einer natürlichen Selen Fütterung werden nämlich auch bereits Spuren dieses Spurenelementes Selen optimal verstoffwechselt und somit ist die hohe Zuführung von Selen, beispielsweise in Form von synthetisch hergestellten Selenfuttermitteln für Pferde (meiner Ansicht nach..) gänzlich unnötig. Denn wer weiß denn letztlich, wie schädlich diese überhaupt für unsere Pferde sind?

Was macht Selen denn überhaupt im Körper des Pferdes?

Wird Selen über das Futter aufgenommen, so bindet es sich zunächst im Blutplasma an verschiedene Eiweiße. Es wird dann weiter transportiert und reichert sich in der Leber, in den Nieren und Hormondrüsen an. Bei Bedarf zieht der Körper das Selen zuerst aus dem Blut, so, dass Selen in den Organen weiterhin vorhanden ist. So können sich sehr niedrige Selenwerte im Blut ergeben, obwohl die Organe noch gut versorgt sind. Andererseits kann der Selenwert im Blut noch „normal“ sein, die Organe stecken jedoch bereits in einer latenten Vergiftung.

In kleinen Mengen wird Selen an den verschiedensten Stellen im Stoffwechsel benötigt, vor allem als Radikalfänger. In größeren Mengen – aber noch unter der toxischen Menge – gegeben, kann es jedoch schaden, in toxischen Mengen gegeben, was schnell passiert beim Spurenelement Selen (es reichen wenige Spuren zu viel..), kommt es zu Syptomen bis zum Ausschuhen (Verlust der Hornkapsel des Pferdes).

Weiterhin ist in Studien an Mäusen und in Untersuchungen beim Menschen bewiesen, dass Selen mit dem Insulin-Signal interferiert. Wird Selen in einem „Zuviel“ zugeführt, so führte das sowohl bei Mäusen als auch beim Menschen zu einem deutlich höheren Risiko, einen Diabetes Typ II, also Insulinresistenz, zu entwickeln. Ob diese Studie auf Pferde übertragen werden kann, bleibt natürlich fraglich, denn Pferd ist Pferd, Maus ist Maus und Mensch ist Mensch und ich denke nicht, dass Pferde im wahren Leben überhaupt an Insulinresistenz erkranken.

Nichts desto trotz könnte man einmal darüber nachdenken, ob auch das Insulinsignal bei Pferden durch die Selenfütterung beeinflusst wird und auch vor diesem Hintergrund die vielen fälschlichen EMS Diagnosen anhand des Insulinwertes eine Rolle spielen. Auch kann durchaus ein Zusammenhang zwischen der synthetischen Selenfütterung und der Diagnose ECS gesehen werden.

Beides aus den nachfolgenden Gründen

Untersuchungen beim Menschen haben ergeben, dass Selen sich vor allem im Drüsengewebe ansammelt, dies sind nicht nur Leber und Nieren, sondern vor allem auch die Hormon produzierenden Drüsen. Selen reichert sich insbesondere auch in der Schilddrüse, den Nebennieren und Geschlechtsorganen an. Ein Selenüberschuss im Leber- und Schilddrüsengewebe führt beim Menschen dazu, dass zu viele Schilddrüsenhormone freigesetzt werden. Hier bremst die Hypophyse die Hormonproduktion der Schilddrüse. So kann dann eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) entstehen. Diese Unterfunktion führt dann zu einer Ausschüttung von Nebennierenhormonen, der Glucocorticoide (also Cortisol). Diese körpereigenen Cortisole sind dafür verantwortlich, dass alles, was im Körper irgendwie zu Zucker umgesetzt werden kann, im menschlichen Körper auch zu Zucker umgebaut wird. Dazu gehören vor allem auch Proteine.

Ein Mangel an Proteinen wird jedoch auch – bei Pferden – mit den sichtbaren Syptomen von ECS, insbesondere der Muskelatrophie, in Verbindung gebracht. So könnte man dann noch spekulieren, ob vielleicht sogar das ECS, welches wirklich anhand eines dauerhaft erhöhten Cortisolspiegels diagnostiziert wird und somit ein echtes Equines Cushing Syndrom darstellt, aus einem echten Hypophysenadenom oder aber aus einer dauerhaften Selenüberversorgung resultiert. Da ein Hypopysenadenom bei Pferden im echten Leben nicht diagnostiziert wird, bliebe so sogar die wirkliche Ursache des ECS anzweifelbar. Die Veterinärmedizin geht schließlich immer nur davon aus, dass ein Hypophysenadenom beim Pferd zu ECS führt. Vielleicht ist es doch eher eine stetige und langfristige Überversorgung mit Selen, die letztlich Auslöser des echten Cushing Syndroms bei Pferden ist?

Auch das wissen wir nicht, wie wir eigentlich nichts wissen…

Diese körpereigenen Vorgänge führen jedenfalls gleichzeitig dazu, dass der Blutzuckerspiegel ansteigt. Dieser erhöhte Blutzuckerspiegel wiederum kann beim Menschen eine Insulinresistenz auslösen. Überträgt man dies auf Pferde, könnte der Pferdeorganismus auch aus dem vielen Zucker Fett bilden und zu einem stark übergewichtigen Pferd führen. Der Zucker wird dann ins Bindegewebe eingelagert. Ebenso, wie auch die bei der Diagnose EMS typischen Fettablagerungen am Hals, an der Schulter, am Hodensack oder Euter, über den Augen und auf der Kruppe hierdurch verursacht werden könnten.

So könnte es auch vor diesem Hintergrund zu vielen fälschlichen Blutwerten bei EMS und ECS führen, wenn man einmal von dieser Seite aus spekuliert!

Darüber nachgedacht wird nun daher auch, dass für einen erhöhten ACTH-Wert im Blut eine falsche Fütterung, sprich Selen, ursächlich sein kann.

Die Anreicherung im Drüsengewebe greift nämlich massiv in den Hormonstoffwechsel ein und stört die Balance, kann also so auch zu einem hohen ACTH Wert führen. Und so sehen wir dann auch vor diesem Aspekt überhöhte ACTH Werte, sofern es diese bei den extremen Schwankungen überhaupt bei Pferden gibt!

So könnte also auch diskutiert werden, ob die vielen fälschlichen EMS und ECS Diagnosen auch mit der stetigen Selen Supplementierung in Zusammenhang stehen!

Außerdem wird in den herkömmlichen Mineralfuttermitteln in aller Regel Selen in Form des anorganischen Natriumselenits beigefügt. Im Gegensatz zu organischen Selenformen wie Selenocystein (dass allerdings nur in tierischem Gewebe (Fleisch) vorkommt) muss Natriumselenit nicht erst verstoffwechselt werden, sondern ist hoch bioverfügbar. Da es sich bei der richtigen Balance zwischen Über- und Unterversorgung bei Selen um einen „Ritt auf der Rasierklinge“ handelt, ist die hohe Bioverfügbarkeit des Natriumselenits kein Vorteil, sondern führt im schlimmsten Falle bereits durch die einmalige Fütterung schon zu einer toxischen Überversorgung (also Vergiftung) mit Selen.

Meiner Meinung nach könnte man ebenso darüber nachdenken, ob nicht auch Selen im Übermaß ein weiterer Hufreheauslöser sein könnte. Denn schließlich zeigt sich die Selen Vergiftung im schlimmsten Falle am Verlust der Hornkapsel, leichtere Vergiftungen mit Selen sind u. a. in einer Kronrandentzündung zu finden.

Außerdem konkurriert Selen auch mit Schwefel, dadurch wird in den Keratinmolekülen der stabile Schwefel durch instabiles Selen ersetzt, was dann zu brüchigen Hufen und qualitativ minderwertigem Hufhorn führt.

Was liegt da näher, als auch einmal Selen als Auslöser bzw. Mitauslöser der vielen Hufrehe Erkrankungen näher in Betracht zu ziehen? Schließlich kommt alles, was wir „oben reinkippen“ auch immer wieder „bei den Füßen“ an!

Denn: Nicht nur beim Spurenelement Selen macht die Dosis das Gift! Das Gleiche gilt auch für Stärke, Protein, Zucker und Fruktane, die im Übermaß zugeführt Hufrehe auslösen können.

Die Frage ist halt bei allen Dingen nur: wo beginnt die Dosis toxisch für unsere Pferde zu werden?

Ich denke, dies werden wir auch in den nächsten Jahrzehnten nicht wirklich wissen, da alle Studien weit davon entfernt sind, Praxis nah zu sein.

Mein Resümee aus dieser ganzen Bandbreite der Thematik ist eine natürliche, artgerechte und gesunde Fütterung für unsere Pferde! Dabei ist der Verzicht auf sämtliche synthetischen Beigaben, auch, wenn es nur „Spuren“ sind, ebenso selbstverständlich, wie, dass Zucker, Proteine und Stärke nicht im Übermaß, sondern in einem für Pferde tolerierbarem Maß gefüttert werden. Die Toleranz hingegen ist von Pferd zu Pferd individuell und muss daher auch individuell berücksichtigt werden, was im Umkehrschluss jedoch kein minutiöses Ausrechnen, sondern einfach nur einen Hauch von Pferdeverstand und das einfache „einmal Hinschauen“ benötigt!

Je mehr ich jetzt zu den unterschiedlichen Thematiken Hufrehe, Equines Cushing Syndrom, Equines Metabolisches Syndrom und zum Spurenelement Selen bei Pferden recherchiert und gelesen habe, desto mehr wurde mir einmal wieder klar, dass mein Weg genau der Richtige ist!

Selen und Hufrehe

Selen und Hufrehe